Dein ist das Reich
Zum Werk
Ein ungewöhnlicher Familienroman über ein verschwiegenes Kapitel deutscher Geschichte: die Beziehung zwischen christlichem Sendungsbewusstsein, Kolonialismus und Rassismus.
Die Familienerzählungen, die vom ländlichen Bayern an die Südsee führten, waren so behaftet mit Unglück und Nostalgie, dass sie, die Nachgeborene, sie stets von sich wies. Zumal die Großeltern auf der falschen Seite standen: Sie waren Kolonialisten, und zwar überzeugte. Doch jetzt will die Enkelin mehr wissen, sichtet die Spuren, die der Kolonialismus und zwei Kriege in ihrer Familie hinterlassen haben. Immer deutlicher entrollt sich vor ihr die exotische Welt Neuguineas, in die ihr Großvater Johann als abenteuerlustiger Missionar auszog, um die Heiden im „Kaiser-Wilhelmsland“ zu bekehren. Eine vermeintliche Südsee-Idylle, geprägt von Bigotterie und Chauvinismus, in der sich die Wege vierer eigensinniger Menschen – ihrer Großeltern – schicksalhaft kreuzen. Klug und mit feinem Humor zeichnet die Erzählerin des Romans nach, wie die große Weltgeschichte über das kleine Leben der Familie hinwegfegt.
Claassen
Hardcover mit Schutzumschlag
480 Seiten
ISBN: 9783546100090
Erschienen: 03.05.2021
Leseprobe auf der Website des Verlags:
www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/dein-ist-das-reich
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Was hat Sie dazu bewegt, die Geschichte Ihrer Großeltern zu erzählen?
Tatsächlich sind meine Eltern beide in Neuguinea geboren, und meine Großeltern arbeiteten dort für die Mission – der eine Großvater als Plantagenverwalter, der andere als ein sogenannter „Pioniermissionar“. Die Ehefrauen arbeiteten natürlich mit. Meine Großmütter erzählten davon – und für meine Eltern war dieses Neuguinea das verlorene Paradies ihrer Kindheit. Es gab da immer diese etwas unklaren Geschichten, die in der Familie kursierten. Sie waren widersprüchlich, exotisch, manche ziemlich schaurig, und sie endeten alle mit dem Krieg. Für mich waren sie zunächst völlig irreal, wie Märchen. Als ich schließlich zu verstehen begann, wo dieses Neuguinea lag und wie diese Familiensagen mit dem Kolonialismus zusammenhingen, wollte ich damit nichts mehr zu tun haben. Ich habe mich von meiner Familie getrennt, zeitweise auch physisch. Aber irgendwann verstand ich, dass das eben mein Erbe war, auch wenn es mir nicht gefiel. Und dass ich es erforschen musste.
Inwiefern lebt eine solche Familiengeschichte in den nachfolgenden Generationen weiter, wie sehr sind diese davon geprägt?
Was mich vielleicht am stärksten geprägt hat, war diese Fixierung auf die Vergangenheit: Nichts war so schön, so schrecklich, so voller Wunder und Elend wie diese Zeit in Neuguinea. Wir reden hier von einer Zeit, die zwei Kriege umspannte.
Meine Eltern kamen als gerade schulpflichtige Kinder nach Deutschland - aus sehr übersichtlichen, sehr abgelegenen Tropendörfern in ein unbekanntes, kaltes Land, in dem die Nazis marschierten. Vor allem für meine Mutter war es furchtbar, sie war in Holländisch-Neuguinea aufgewachsen und konnte nicht einmal Deutsch. Noch dazu kam sie mit ihrem kleinen Bruder in ein Heim. Meine Großeltern reisten zurück nach Neuguinea und taten dort das, was sie für Gottes Werk hielten. Und dann kam der Krieg. Meine Eltern waren erwachsen, bis sie ihre Eltern wiedersahen – die überlebenden jedenfalls. Aber irgendwie schafften sie es nicht so richtig bis in die Gegenwart. Ich hatte immer das Gefühl, meine Eltern seien nie ganz anwesend in unserem gemeinsamen Leben.
- Katharina Döbler, geboren 1957 in Mittelfranken, studierte Theaterwissenschaften, experimentierte als Kabarettistin und Punksängerin, schrieb das Theaterstück Schneeziegenmanöver (UA 2000) und Hörspiele. Als Journalistin arbeitet sie für den Rundfunk...