Welcome to the City of Jezevac. Mädchen in einem bosnischen Flüchtlingslager
Nein, niemand kommt sie je dort besuchen, die Mädchen von Jezevac, keine Schulfreundinnen, keine jungen Männer, Jezevac ist nicht so ein Ort, wo man gerne hinfährt.
Zum Werk
Nein, niemand kommt sie je dort besuchen, die Mädchen von Jezevac, keine Schulfreundinnen, keine jungen Männer, Jezevac ist nicht so ein Ort, wo man gerne hinfährt. Dabei würden sie sich freuen und im Übermut hatte eine gerufen: „Welcome to the City of Jezevac“. Welcome in dieser Ansammlung kleiner Häuser, schnell hingeworfen auf die ebene Fläche zwischen dem schlammigen braunen Fluss, der Oskova heißt, und der Straße, die zur Kohlen-Abraumhalde hochführt. Die einzigen Besucher, die sich hier sehen lassen, gehören zu einer Hilfsorganisation. Sie kümmern sich um die Übriggebliebenen, Traumatisierten, die nicht in ihre Heimat zurück können oder wollen. Und um die Mädchen, die so frisch sind in ihrer Pubertät, die sich um die besten T-Shirts aus Kleidersammlungen prügeln und einmal ganz anders leben möchten als ihre Mütter. Berufe erlernen, in der Stadt wohnen, aber welche Chance haben sie schon? Das ruft seit kurzem noch andere Besucher auf den Plan: Männer mit prall gefüllten Taschen, die die Mädchen umgarnen, ihnen ein besseres Leben verheißen – Menschenhändler. Die könnten die Mädchen jetzt auch leicht nach Deutschland bringen, denn für Bosnien gilt das Schengen-Abkommen, die Visumspflicht ist aufgehoben.
Mechthild Müsers Feature bringt uns einen gänzlich vergessenen Ort ins Bewusstsein, von dem wir uns gar nicht vorstellen können, dass es ihn in Europa gibt, geben kann.
DLF/Bayrischer Rundfunk
Redaktion und Regie: Ulrike Bajohr
Ton: Eva Pöpplein und Anna D´hein
Erstausstrahlung: 06.04.2012, 19:10 Uhr (DLF)
www.vive-zene.de
www.suhan-fotografie.com
Zur Recherche
„Zwei Wochen lang war ich mit der Dortmunder Fotografin Cornelia Suhan in Bosnien unterwegs. Cornelia Suhan ist Mitbegründerin einer Hilfsorganisation, die als einzige noch regelmäßig in den Flüchtlingslagern unterwegs ist. Wir haben anfangs verschiedene Lager besucht, uns aber dann für Jezevac entschieden, es steht exemplarisch für die anderen Lager. Die Mädchen waren erst noch sehr zurückhaltend. Obwohl wir mit einem Dolmetscher kamen, fanden sie es seltsam, mir, einer fremden Frau, aus ihrem Leben zu erzählen, noch dazu in ein Mikrofon. Sie wurden erst gesprächiger als Cornelia Suhan ihnen schöne Portrait-Fotos in Aussicht stellte.“
- Mechthild Müser studierte Mathematik, Geographie und anschließend Soziologie mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik. Sie arbeitete vier Jahre an der Universität Bremen in einem Forschungsprojekt zur Geschichte der Bremer Arbeiterbewegung. Seit fast...