Georg Zeller

Souvenirs of War

2023 | Film
Souvenirs of War (c) Merve Bektaş/Helios
Zum Werk

Wann ist ein Krieg vorüber? Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem letzten Krieg in Europa führt uns “Souvenirs of War” auf eine essayistische Reise nach Bosnien, wo zahlreiche einstige Kriegsschauplätze längst zu Touristenattraktionen geworden sind. Es ist eine ambivalente Tour zwischen Dark Tourism und empathischer Erinnerung: Während manch einer zu Kampfspielen an die ehemalige Frontlinie lädt, versuchen andere, irgendwie das Beste aus ihrem traumatischen Erbe zu machen. 

Georg Zellers Dokumentarfilm "Souvenirs of War" feierte seine Weltpremiere am 17.08.2023 beim Sarajevo Film Festival. Im November 2023 wird er im Rahmen des "Festival dei Popoli" in Florenz gezeigt.

 

Trailer: www.youtube.com/watch?v=Wg55QgPgBsI
Interview: www.salto.bz/de/article/13082023/im-zweiten-satz-spricht-man-ueber-krieg

Dokumentarfilm 
Länge: 75 min 
Produktionsfirma: HELIOS sustainable films 
Regie: Georg Zeller 
Produktion: Martin Rattini, Moritz Bonatti 
Kamera: Stefania Bona, Amel Đikoli, Georg Zeller 
Schnitt: Beatrice Segolini 
Mit Musik von: Basheskia&Edward EQ, Skroz, Nihad Hrustanbegović und anderen 
Graphic Design: Merve Bektaş 

Mit Unterstützung von: 
Creative Europe MEDIA Programm der Europäischen Union 
Grenzgänger Programm der Robert Bosch Stiftung und Literarisches Colloquium Berlin 
IDM Film Commission Südtirol 
Autonome Provinz Bozen, Italien 
MiC Direzione Generale Cinema e Audiovisivo 

Entwickelt im Rahmen von EAVE - einer Trainingsinitiative von Creative Europe - MEDIA Programm der Europäischen Union

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Sarajevo Juni 2019

Haupttätigkeit der NGO namens Center for Nonviolent Action CNA ist es, Begegnungen zwischen Veteranen der verschiedenen Konfliktparteien zu organisieren und zu betreuen. Keine leichte Aufgabe. Ehemalige Feinde, die auch heute noch in ihrer Gesellschaft einer Partei zugerechnet werden, deren Narration kennen und sich ihr verpflichtet fühlen, treffen sich, öffnen sich, erzählen ihre Geschichte und Erfahrung und stellen dabei die Gemeinsamkeiten mit den so ähnlichen Geschichten und Erfahrungen der („ehemaligen) Gegner fest. Vielleicht haben beide ein Bein verloren oder ihre Familie vermisst, oder können seit Jahren nicht mehr schlafen. 

Ich spreche bei unserem ersten Treffen fast drei Stunden mit Adnan von CNA, selbst Veteran, der als Zwanzigjähriger zur Verteidigung Sarajevos eingezogen wurde. 

Um an diesen Veteranen-Treffen teilzunehmen, müssen sich die Männer bewerben und einer strengen Vorauswahl unterziehen lassen. Eine Beteiligung an Kriegsverbrechen ist ein Ausschlussgrund (dazu werden u.a. die Archive des internationalen Gerichtshofs durchgegangen), ebenso Hinweise auf starke PTSD-Symptome (post- traumatische Belastungsstörung), da sie keine Psychotherapie anbieten, sondern Friedensarbeit. Der Hauptbeweggrund zur Teilnahme scheint der Wunsch zu sein, den eigenen Kindern eine bessere Zukunft zu bieten, aber auch die eigene Menschlichkeit wiederzuerlangen. Es geht um Entschuldigung, Versöhnung, die Anerkennung des Gegners als Mensch. Auch wenn es gelegentlich doch zu psychischen Aus- und Zusammenbrüchen kommt und schon mal fälschlicherweise ein Kommandant von Massenerschießungen in der Runde dabei war (er wurde anschließend zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt) können die Organisatoren damit umgehen. 

Ich finde diese Arbeit extrem spannend, geht sie doch tief in den Kern eines Krieges, wo sich Männer, Auge in Auge, erst als Feinde, dann als Menschen gegenüberstehen. 

Aber wie findet es Platz in unserem Film? 

Im September/Oktober wird eine Reise einer solchen Veteranengruppe nach Jaice stattfinden, die dort an einer Kranzniederlegung teilnehmen, Kriegsschauplätze besichtigen und den Medien gegenüber treten wird. Außerdem wird die Foto-Ausstellung „Memories of War“ dort eröffnet. Am darauffolgenden Tag wird die Gruppe hingegen einen touristischen Erholungstag machen, Baden, Wandern im Wald, Sehenswürdigkeiten besichtigen. 

Vielleicht könnte dies ein Ansatz sein?


Da es sich um sehr sensible Arbeit handelt, kann nur die Gruppe selbst entscheiden, ob sie unsere Kamera erlaubt. Ausgeschlossen ist es während der Aufarbeitungstreffen dabei zu sein.


Adnan erzählt mir dann noch sehr ausführlich von sich selbst. Dabei richtet sich sein Blick fast durchgehend in die Ferne, im langen Gespräch blickt er nur wenige Male in meine Richtung, dann aber mit Lachen.
Er hatte letztes Jahr Burnout und ist vier Monate ausgestiegen. Hat dabei gelernt, sich in der Freizeit weniger mit der politischen Situation im Lande zu beschäftigen, die nur Hoffnungslosigkeit bringt und ihn an seiner Arbeit zweifeln lässt. Er sagt, in ihrem kleinen großen Dienst erreichen sie viel, aber die Situation im Land ist so hoffnungslos konträr, dass er keinerlei Chance auf eine positive Zukunft sieht. Im Gegenteil befürchtet er, dass die innere Situation in Kombination mit Weltpolitik, Trump, erstärktem Putin, Erdoğan früher oder später zu erneuten bewaffneten Aktionen im Land führen kann.
In diesem Sinne sagt er, Nationalismus ist nicht der Kern des Problems, und jeder darf gerne seine Fahne hochhalten. Wichtig ist, dass daraus keine Gewalt entsteht. 

 

Seit 2008 bringt CNA ehemalige Gegnerinnen und Gegner, Veteranen der Balkankriege aus Kroatien, Serbien und Bosnien und Herzegowina, zusammen, um eine ehrliche Auseinandersetzung über die Geschehnisse, Schuld und Verantwortung und eine mögliche Zukunft zu führen. Die Erfahrungen zeigen, dass aus Wut, Hass und Angst irgendwann Dialog und Frieden werden können. Viele Veteranen, die diese Erfahrung gemacht haben, arbeiten danach aktiv an der Vergangenheitsbewältigung mit und tragen damit Sorge, dass sich die Gräuel der Vergangenheit nicht wiederholen. Aus dieser Dialog- und Trainingsarbeit erwachsen immer wieder Wunsch und Bereitschaft der Veteranen, auch öffentliche Zeichen für Versöhnung zu setzen. Das Wort der Veteranen zählt viel in Gesellschaften, die von einer Aufarbeitung der Kriege und der Anerkennung eigener Verantwortung noch weit entfernt sind. 

  • Autorenfoto Georg Zeller
    Georg Zeller ist in Stuttgart, Deutschland, geboren. Nach seinem Studium an der Filmschule ZeLIG in Bozen und der Hochschule der Künste, Berlin, arbeitet er als Regisseur und Kameramann, vor allem im Bereich Dokumentarfilm. Er hat jahrelang die...