Regenbogenweiß
Zum Werk
Regenbogenweiß ist ein Buch über Gleichheit und Glück, über die Notwendigkeit von Trauer, die fundamentale Bedeutung von Zeit und über Europa im Hier und Jetzt. Am Beginn des Romans steht ein Ende: Hermann stirbt plötzlich und unerwartet. Er hinterlässt seine Frau und zwei erwachsene Kinder. Alle drei trauern – auf je eigene Weise. Die soeben pensionierte Lehrerin Marlene beginnt, Flüchtlingen zu helfen; Sohn Bob, Kosmologe und Zeitforscher, zieht sich ans äußerste Südende Europas in die Natur zurück; und Tochter Filippa, Philosophin in Paris, möchte mehr denn je endlich Mutter werden. Für alle stellt sich die Frage nach einem glücklichen Leben noch einmal neu und dringlicher – während große gesellschaftliche Veränderungen und Entwicklungen im Gange sind, die sie skeptisch mitverfolgen.
»So viele Entscheidungen, die damals noch ungetroffen waren, die getroffen werden mussten, damit es sie hier heute gab. Und jede hätte anders ausfallen können und dann wäre sie heute nicht. Aber wie traf man Entscheidungen, dachte Filippa. Wie traf man sie richtig.«
Ein großer Roman über Weg- und Umbrüche und die Frage nach einem glücklichen Leben in einer aus dem Gleichgewicht geratenen Welt.
Literaturverlag DROSCHL
2022 | gebunden | 344 Seiten
ISBN: 9783990591062
Mehr Infos und eine Leseprobe auf der Website des Verlags:
www.droschl.com/buch/regenbogenweiss
Zur Recherche
Die erste Recherchereise führte mich von 14. bis 24. Dezember 2018 nach Anopolis in die Region Chora Sfakion auf Kreta. Die Gegend war mir aus früheren Urlauben bereits bekannt, ich entschied mich dennoch in Begleitung meines Freundes zu reisen, weil er die Region sehr viel besser kennt als ich und auch mit dort Ansässigen gut bekannt ist. Sowohl bei der Erkundung der gebirgigen abgeschiedenen Gegend als auch bei der Kontaktaufnahme mit Einheimischen war eine Begleitung von großem Vorteil für mich.
Ziel der zehn Tage dort im äußersten Süden Europas war es, möglichst genaue Eindrücke der Landschaft zu sammeln sowie der Lebensbedingungen der abgeschiedenen Dorfgemeinschaft, um den Alltag für einen dort als „Einsiedler“ oder „Aussteiger“ gestrandeten Österreicher beschreiben zu können. Wichtig waren mir dafür möglichst facettenreiche Natureindrücke und Gesprächen mit den Gastgebern, in denen ich Sichtweisen und Gedanken der Bevölkerung zur aktuellen griechischen und europäischen politischen Lage in Erfahrung gebracht habe – nicht geführt als deklariertes Rechercheinterview, sondern lediglich en passant geführt und auch nicht zu Veröffentlichungszwecken aufgezeichnet.
Absolut richtig war es, die Reise tatsächlich in den Dezember zu legen – auch wenn dies die Reise verteuert hat. Die Gegend um Loutro bzw. Chora Sfakion ist stark vom Sommertourismus geprägt (der dort bis mindestens Ende Oktober geht), der einzige Ort, der überhaupt ganzjährig bewohnt ist, ist Anopolis sowie Aradena (das allerdings kein wirklich intakter Ort ist, sondern seit einer Blutfehde in den Sechzigerjahren immer noch mehr oder weniger eine Ansammlung von Ruinen, die erst langsam wieder aufgebaut werden – u. a. als Ferienhäuser von in Chania Ansässigen. In einem solchen Häuschen wird mein Protagonist auch wohnen). Und auch wenn ich – selbst aus einer touristischen Region stammend – wusste, wie sehr sich Orte und Landschaften „off season“ verändern können, so war die größte Überraschung dieser Reise doch, in welchem Maße dies der Fall ist. Die kretische Küste im Winter ist ein vollkommen anderer „Raum“, als die Ferienorte während der Saison suggerieren. Die zufälligen Begegnungen, etwa mit dem einzigen verbliebenen albanischen Saisonier, der auf die Strandbar im Marmara Beach „aufpasst“, d. h. kleinere Ausbesserungsarbeiten auf dem gesamten zugehörigen landschaftlichen Gebiet vornimmt und dort tatsächlich vollkommen allein überwintert – an einem Strand, zu dem keine Straße hinführt, und an einer Bucht, in der kein Boot über Winter ankern kann, einzig in Begleitung von zehn oder fünfzehn streunenden Katzen –, waren jene glücklichen Zufälle, die für mich Hauptgrund sind, weshalb eine Recherche vor Ort niemals entbehrlich ist. Genau diese Eindrücke sind es – auch was Flora und Fauna angeht, vor allem aber auch den Himmel im Wechselspiel von Tag und Nacht –, die ich mit meiner Vorstellungskraft allein und auch niemals nur mithilfe von Video und Fotografien sprachlich so plastisch generieren könnte, wie ich es mithilfe der durch die Recherche gewonnenen Erinnerungen und der dort unmittelbar entstandenen Notate hoffentlich für den Roman gelingen wird. Das Material, mit dem ich nach Hause gereist bin, war jedenfalls mehr als erhofft und besser als erwartet. Es habe ohne absichtlich danach zu suchen gleichsam zwei direkte „Vorlagen“ für meine Figur angetroffen, die mich – und das ist für mein Schreiben sehr wichtig – quasi versichert haben, dass meine Idee, einen jungen bestausgebildeten Österreicher dorthin zu „schicken“ als Aussteiger, plausibel ist.
- Friederike Gösweiner, geboren 1980 in Rum (Österreich), studierte Germanistik und Politikwissenschaft in Innsbruck (Promotion 2009) und arbeitet seither als Schriftstellerin, Lektorin und Rezensentin. Ihr erster Roman Traurige Freiheit (Droschl 2016)...