Nikolai Antoniadis Nele Gülck

Der gute Berg

2020 | Fotografie
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Im unwegsamen Bergland im Süden Albaniens haben die Bewohner eines Dorfes in einem nahen Wald ein kleines Haus aus Feldsteinen errichtet. Darin findet sich eine eigentümliche Mischung aus trivialen Alltagsgegenständen und religiösen Objekten: Spielsachen, Werkzeug und Pferdeposter neben orthodoxen Ikonen, Engelsfigurinen oder einer Tagesdecke mit dem Motiv der Prophetenmoschee in Mekka. Das Haus ist keine Kirche und keine Moschee, sondern ein Vak ë f, wie die Dorfbewohner sagen, ein heiliger Ort, an dem alle Religionen zu Hause sind oder eher noch: der allen Religionen übergeordnet ist.

Die Fotografin Nele Gülck und der Autor Nikolai Antoniadis gehen diesem in Albanien weit verbreiteten Phänomen nach und versuchen, die verschiedenen Schichten von religiösen Überlieferungen, lokalen Legenden, Märchen und Mythen in diesem abgelegenen Bergdorf zu entschlüsseln. Ein muslimisches Dorf, in dem ein Dutzend katholische Frauen aus dem Norden verheiratet sind, deren Söhne sich wiederum häufig im nahen Griechenland orthodox taufen lassen. Aus Gesprächen, Tagebüchern, Briefen, persönlichen Aufzeichnungen, amtlichen Notizen und Akten der albanischen Staatssicherheit Sigurimi rekonstruieren sie die Geschichte dieses Ortes, indem sie den Spuren der Familie Hoxhalli folgen. Vier Generationen, deren wechselhaftes Schicksal sie um die halbe Welt führte, zum Militärdienst nach Istanbul, auf die griechische Gefängnisinsel Makronisos, als Stahlarbeiter nach Weirton, Ohio und als antikommunistische Agenten in ein Ausbildungslager der CIA im bayrischen Bad Tölz – und immer wieder zurück zu jenem Ort, der scheinbar der einzige unbewegliche Fixpunkt in der bewegten Geschichte ihres Dorfes ist: dem Berg, auf dessen Gipfel das kleine Steinhaus steht. Ein mythischer Ort, zu dem orthodoxe und katholische Christen gehen, sunnitische Muslime, Bektashi-Sufis genauso wie Atheisten und eingefleischte alte Kommunisten. Auf den Gipfel des Dobregora, des Guten Bergs.

  • Nikolai Antoniadis © Nele Gülck
    Nikolai Antoniadis (* 21. September 1971) studierte Islamwissenschaften und jüdische Geschichte in Hamburg. Sein Hauptinteresse gilt den vielen fragmentierten Identitäten auf dem Balkan und der Art und Weise, wie Menschen damit umgehen. Neben dem...
  • Nele Guelck (c) Paula Markert
    Nele Gülck (*6.12.1979) studierte Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und absolvierte die Meisterklasse der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. 2017-2019 erhielt sie das...